Januar 2019 (This is Egypt)

  

"This is Egypt" ist ein Satz, den man häufig nutzen kann und der die Merkmale des Landes mit wenigen Worten treffend beschreibt. Hier ist vieles völlig anders als man es in Deutschland bzw. Europa kennt. Lässt man sich darauf ein, liegt genau hier auch der Reiz. Über die Unterschiede hinsichtlich des Wetters und der Arbeit haben wir ja bereits hinlänglich berichtet. Im heutigen Blog möchten wir einfach mal, mit ein paar Schnappschüssen untermalt, auf Besonderheiten, lustige und bewegende Momente als auch Probleme eingehen. Die Qualität der Fotos mag manchmal zu Wünschen übrig lassen, dafür sind sie mitten aus dem Leben!

 


  

Das Titelbild und die folgenden Aufnahmen wurden auf einer ägyptischen Party erstellt. Es stand die Hochzeit beim Bruder eines lieben Kollegen mit den entsprechenden Feierlichkeiten an. Diese laufen folgendermaßen ab: Am ersten Tag feiern alle Männer, am zweiten die Frauen und am dritten Tag dann alle zusammen. Der Beginn ist damit durchaus mit einem Junggesellenabschied vergleichbar, jedoch ohne Bauchladen und verkleiden! Während wir das abschließende Fest bereits zuvor erleben durften (siehe Blog im Mai 2017), waren wir diesmal bei der ersten Zusammenkunft eingeladen. Diese fand in einem halboffenen Zelt statt. Untermalt von lauter Musik und rhytmischem Klatschen, saßen alle gemütlich auf flauschigen Teppichen.

 


  

Wir waren mit zwei weiteren Kollegen vor Ort (Esther und Katy als einzige Frauen im Saal!) und damit die einzigen Nicht-Ägypter. Bitte ohne, dass es jetzt arrogant klingen soll, schienen wir vier die Stars des Abends zu sein. Ständig wurden wir fotografiert, nett nach Selfies gefragt, zum Tanzen aufgefordert und insbesondere die Kinder waren auf ganz niedliche Art anhänglich. Im Rahmen der immer wieder faszinierenden Gastfreundlichkeit wurde uns alles aufgetischt und damit meinen wir wirklich alles, inklusive sämtlicher Genußmittel, die das Leben noch bunter erscheinen lassen. Auch ohne diesen Verzehr war es ein ganz toller Abend und bewegend, als wir zum Schluss die Familie und Ehefrauen im Hintergrund kennenlernen durften.

 

  

Ende 2016 gab es in Ägypten eine massive Währungsumstellung. Diese gehörte zu den Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Verbindung mit einem bewilligten Milliarden-Kredit. Das ägyptische Pfund verlor über Nacht fast die Hälfte an Wert, was in mehrfacher Hinsicht Auswirkungen hatte. Insbesondere für Touristen hatte sich die Kaufkraft zumindest kurzfristig verdoppelt und der Urlaub wurde deutlich günstiger. Auf der anderen Seite ging das aber auch mit Abbau von Subventionen und unglaublichen Preissteigerungen einher, was in erster Linie die einheimische Bevölkerung traf. Da die Einnahmen weiterhin stagnieren, wurden Dinge des täglichen Lebens für viele Ägypter teilweise kaum noch bezahlbar und die Stimmung war bzw. ist entsprechend. Bleibt zu hoffen, dass der Anstieg des Tourismus zu einer allgemeinen Verbesserung führt. 

 

  

Wie überall auf der Welt, gibt es auch in Ägypten Menschen mit einem Handicap oder einer Behinderung, sei es geistiger bzw. körperlicher Natur. Größere Einschränkungen gibt es hinsichtlich der Barrierefreiheit, die nicht mit deutschen Maßstäben vergleichbar ist. Das ließ eine größere Gruppe nicht davon abhalten, mit ihren Betreuern einen schönen Tag am Strand zu verbringen. Einige saßen in ihrem Rollstuhl im Sand, während andere in Schwimmreifen im Wasser verweilten. Ein wenig fühlten wir uns an den Film "Einer flog über das Kuckucksnest" erinnert. Wir waren sehr gerührt von der Freude, die alle ausstrahlten, verbunden mit einem Gefühl der Dankbarkeit hinsichtlich der eigenen Mobilität. 

 

  

Deutsche Ordnungsämter und Berufsgenossenschaften würden in Hurghada die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Immer wieder sieht man beispielsweise Schlaglöcher mit höchster Gefahr für menschliche Bänder und Knochen bzw. Achsen von Fahrzeugen. Behoben werden sie selten oder recht spät. Noch abenteuerlicher sind die Baugerüste. Hier werden einfach Holzstäbe zusammengebunden und genügt das nicht, wird halt improvisiert. Aber wie sollte man das kritisieren im Land der Erbauer der Pyramiden, die auch nach rund 4.500 Jahren noch stehen. Weiteres Beispiel: Letztens erwarben wir zwei neue Balkonstühle, die einfach nicht ins Taxi passen wollten. Also hielt der Fahrer sie während der Fahrt komplett aus dem Seitenfenster, um mit der rechten Hand noch immer zu schalten, zu lenken und zwischenzeitlich ans Handy zu gehen....

 

  

Große Herausforderungen für das Land stellen unter anderem Armut und Schulbildung dar. Ägypten ist mit ca. 92 Millionen Einwohnern das bevölkerungsstärkste Land der arabischen Welt und wächst jährlich um weitere 2,5 Millionen Menschen. Die Preise für Lebensmittel und Benzin unterliegen einer Inflation von derzeit teilweise 50%, nur etwa jeder zweite Bürger kann lesen und schreiben und die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 40%. Es fehlen Lehrer sowie Einrichtungen und nicht selten werden Kinder, statt eines Schulbesuches, lieber für die zusätzliche Beschaffung von Geld für die Familie in Form von Betteln, das Sortieren von Müll als auch den Verkauf von Souvenirs, Taschentüchern, Sandwiches oder ähnliches eingesetzt. 

 

  

Über die Einkaufsmöglichkeiten haben wir ja bereits in unserem September-Blog berichtet. Ergänzend dazu ist positiv auffallend, dass doch einige Geschäfte neu aufmachen und beispielsweise mit der Sherry Street im Zentrum eine komplett neue Einkaufsstraße sowie im Ortsteil Dahar ein modernes Einkaufszentrum entstanden ist. Unverwüstlich sind weiterhin die vielen Souvenirläden mit der jedem Touristen bekannten Ansprache wie "Hello my friend", "How are you", "Where are you come from" und dem Klassiker "Best price for you". Immer erfolgreicher agieren Geschäfte, die auf faire Festpreise setzen um den Kunden, die nicht gern handeln, ein angenehmeres Shoppen zu ermöglichen. Wer frisches Fleisch mag, kann dieses in jedem Supermarkt oder aber direkt beim Schlachter erwerben, der hygienischer ist, als das untere Bild vermuten lässt.

 


  

Was Transport sowohl von Gepäckstücken als auch Menschen und Tieren angeht, sind die Ägypter unglaublich einfallsreich. Geht nicht, gibt es nicht und so manches Mal fragt man sich, ob Tetris nicht hier erfunden wurde. War es für uns zu Beginn erschreckend, eine Familie mit insgesamt bis zu fünf(!) Personen inklusive Säugling auf einem Motorrad zu sehen, wurde dieses später zur Normalität. Fällt von einem überladenen bzw. schlecht gesicherten Transporter mal etwas herunter, wird es eben wieder aufgesammelt.

 

Irgendwie passt dieses zum Umgang mit Herausforderungen. Das Land wurde historisch immer wieder mit großen Problemen konfrontiert, sei es durch Kriege, Revolutionen, Epidemien, Dürren oder auch Terroranschläge. Dennoch bewahren sich die Ägypter ihre grundsätzlich positive Einstellung und gehen meist mit einem Lächeln voran. Auch der Glaube mag eine große Rolle spielen. Allah wird es schon richten und klappt das mal nicht, so gehört dieses ebenso zum ganz großen Plan. Uns gefällt unsere neue Heimat so wie sie ist und wir freuen uns auf die weitere Zukunft in diesem aufregenden Land mit seinen ganz eigenen Geschichten!